Der Arbeitgeber hat ein Interesse an umfassenden Informationen über einen Bewerber, um beurteilen zu können, ob er für die freie Stelle persönlich und fachlich geeignet ist. Je nach Situation und Frage darf ein Bewerber jedoch Information verweigern oder dem Befrager sogar falsche Auskünfte geben.
Karin Caviezel
Der Informationsaustausch bei einem Vorstellungsgespräch folgt dem Gebot von Treu und Glauben und unterliegt deshalb den Regeln des redlichen und loyalen Verhaltens. Dazu gehört, dass Antworten auf zulässige Fragen und spontane Auskünfte wahr sein müssen, unzulässige Fragen aber auch zu unterlassen sind. Tabu sind Fragen, welche das Privatleben des Bewerbers betreffen und nicht der Klärung seiner Eignung für die fragliche Stelle dienen. Der Kandidat darf solche Fragen unbeantwortet lassen oder in Notwehr nicht wahrheitsgetreu beantworten. Der Umfang des Fragerechts richtet sich aber immer nach der vorgesehenen Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb – je höher die Stellung, umso umfassender das Fragerecht und die Auskunftspflicht.
Gesundheitsfragen allenfalls zulässig
Nicht erlaubt sind Fragen nach dem Gesundheitszustand ausser in Bezug auf Krankheiten oder Unfallfolgen, wenn diese die Arbeitsfähigkeit des Bewerbers für die betreffende Arbeit mindern können. So muss beispielsweise ein positives HIV-Antikörperresultat nicht offengelegt werden, wenn keine Ansteckungsgefahr für Mitarbeiter oder Kunden besteht. Die Frage nach einer eventuellen Schwangerschaft ist nur zulässig, wenn die vorgesehene Arbeit die Gesundheit von Mutter und Kind beeinträchtigen kann oder die Arbeitsleistung wegen der Schwangerschaft verunmöglicht oder erheblich erschwert ist, z.B. als Sportlehrerinnen oder Tänzerinnen usw.
Tabufrage Familienplanung
Die Frage nach dem aktuellen Zivilstand ist zulässig, tabu aber jene nach einer eventuellen späteren Heirat oder der zukünftigen Familienplanung, da daraus eine geschlechtsspezifische Diskriminierung entstehen kann.
Ausnahmen bei Tendenzbetrieben
Fragen zur religiösen oder politischen Haltung, aber auch über eine Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft sind nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn es z. B. um einen sogenannten Tendenzbetrieb geht, d.h. wenn ein Arbeitgeber überwiegend ideelle Ziele verfolgt. Das können politische, religiöse oder auch karitative Ziele sein. Das Fragerecht und die Auskunftspflicht gehen dann erheblich weiter, weil der Mitarbeiter bis zu einem gewissen Grad die Weltanschauung seines Arbeitgebers teilen muss.
Strafregisterauszug je nach Position
Auskunft über Vorstrafen darf nur verlangt werden, wenn das Delikt in unmittelbarem objektivem Zusammenhang zur Arbeit steht. Beispielsweise können das Auskünfte bei Chauffeuren zu Strassenverkehrsdelikten oder solche bei einem Buchhalter zu Vermögensdelikten sein.
Nicht verlangt werden sollte ein Strafregisterauszug, da ein solcher auch nicht berufsspezifische Vorstrafen enthalten kann.
Anders sieht es bei Vertrauens- oder Führungspositionen aus, wo die charakterliche Unbescholtenheit für die Eignung des Kandidaten objektiv unabdingbar ist.
Karin Caviezel ist Rechtsanwältin und Notarin/Partnerin bei Swiss Legal Lardi & Partner AG in Chur. www.swisslegal.ch
Bildlegende: Im Bewerbungsgespräch müssen nicht alle Fragen richtig beantwortet werden.
Bild Keystone