Das Fieber steigt, die Nase läuft und der Kopf droht vor lauter Schmerzen zu bersten – dennoch haben viele oft ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Arbeitgebenden, wenn sie krankheitsbedingt ausfallen. Das dies auf mehreren Ebenen problematisch ist und die Betroffenen aktiv gegen eine solche Unternehmenskultur vorgehen sollen, ist unbestritten.
von Emilia Sommerau, Redaktorin im Bereich Commercial Publishing bei Somedia Promotion
Durch das ständige Streben nach Produktivität und wirtschaftlichem Wachstum für Unternehmen scheint es fast selbstverständlich zu sein, dass viele Menschen selbst dann zur Arbeit gehen, wenn sie krank sind. Remote Work und Homeoffice ermöglicht es den Arbeitenden sogar, aus dem Krankenbett hinaus für das Unternehmen tätig zu sein. Das Phänomen «Präsentismus» ist allgegenwärtig und viele fühlen sich verpflichtet, trotz Fieber, Husten oder anderen Krankheitssymptomen ihren Arbeitsplatz zu besetzen – eine Krankschreibung durch die Ärztin oder den Arzt spielt da keine Rolle. Während diese Hartnäckigkeit auf den ersten Blick lobenswert erscheinen mag, sollte man sich die Frage stellen: Muss das wirklich sein?
Die Gefahren von «Präsentismus»
Das Phänomen des «Präsentismus», also das Erscheinen am Arbeitsplatz (physisch oder remote) trotz Krankheit, ist in vielen Unternehmen weite verbreitet. Es gibt verschiedene Gründe und sogar Ängste, die Mitarbeitende dazu veranlassen können: Angst vor negativen Konsequenzen und Auswirkungen auf ihre Karrierechancen; das Gefühl, dass die eigene Arbeit unersetzlich sei und die Arbeit «liegen bleibt, wenn ich sie nicht erledige»; Druck von Vorgesetzten oder Kollegen; die Sorge um laufende Projekte und den möglichen Folgen, sollten diese nicht partout erledigt werden können sowie grundlegende finanzielle Ängste.
Das kann schwerwiegende Folgen für die Gesundheit sowohl der einzelnen Person als auch des gesamten Teams haben. Krank zur Arbeit zu gehen kann nicht nur den Genesungsprozess verlangsamen und die Ansteckungsgefahr für Mitarbeitende erhöhen – es kann sogar den eigenen Gesundheitszustand durch zusätzlichen Stress verschlimmern.
Die Kosten für Arbeitgebende
Obwohl es auf den ersten Blick so erscheinen mag, als würden Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber von der Anwesenheit und Arbeitskraft ihrer kranken Mitarbeitenden profitieren, können die Auswirkungen dessen längerfristig verheerender sein, als der kurzfristige Verzicht auf die Arbeitskraft. Mitarbeitende, die krank arbeiten, sind bewiesenermassen weniger produktiv, machen öfter Fehler und können wie bereits erwähnt andere Teammitglieder infizieren, was zu weiteren Ausfällen führt. Aus rein wirtschaftlicher Sicht liegt es also absolut im Interesse von Vorgesetzten und Unternehmen, ihren Mitarbeitenden im Krankheitsfall die nötige Ruhe zur Genesung bieten zu können.
Die Unternehmenskultur spielt eine Rolle
Wenn Unternehmen ein Umfeld fördern, in dem krank zur Arbeit gehen, als Selbstverständlichkeit angesehen oder gar gefördert wird, kann dies einen äusserst negativen und toxischen Einfluss auf die Arbeitskultur haben. Das Verhalten, trotz Krankheit zu arbeiten, wird oft als Engagement oder Bereitschaft angesehen, die ‘Extrameile’ zu gehen, um die Ziele des Unternehmens zu erreichen. In Wahrheit jedoch ist dies ein Zeichen toxischer Produktivität, die die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden aufs Spiel setzt.
Indem Unternehmen ein solches Verhalten tolerieren oder gar fordern, senden sie eine klare Botschaft an ihre Mitarbeitenden: Die Arbeit steht über der Gesundheit. Dies kann zu einem Klima der Angst und des Drucks führen und das Risiko einer Überlastung der Mitarbeitenden erhöhen. Sollten beispielsweise keine Stellvertretungen geregelt sein, fühlen sich kranke Mitarbeitende dazu gedrängt, die Arbeitslast um jeden Preis selbst zu bewältigen.
Eine gesunde Umgebung ist ein Muss
Indem sich sowohl Vorgesetzte und Unternehmen als auch betroffene Mitarbeitende aktiv für eine gesunde Arbeitskultur einsetzen, kann ein positiver Wandel herbeigeführt werden. Es ist von grosser Bedeutung, dass Massnahmen ergriffen werden, um den Umgang mit krankheitsbedingten Ausfällen zu verbessern und das Wohlbefinden aller zu fördern.
Tipps für Vorgesetzte
- Implementieren Sie klare Richtlinien und Verfahren für den Krankheitsfall und kommunizieren Sie diese transparent an alle.
- Führen Sie Gesundheitsinitiativen durch, z.B. Workshops zur Stressbewältigung, um das Bewusstsein für Gesundheitsthemen zu stärken.
- Stellen Sie sicher, dass es klare Richtlinien und Verfahren gibt, um Stellvertretungen für krankheitsbedingte Ausfälle einzusetzen.
Tipps für Betroffene
- Erkennen Sie an, dass Ihre Gesundheit Vorrang hat und nehmen Sie sich die notwendige Zeit zur Genesung.
- Informieren Sie Ihre Vorgesetzten rechtzeitig im Krankheitsfall und klären Sie ab, wie ihre Aufgaben delegiert oder verschoben werden können.
- Investieren Sie in präventive Massnahmen um Ihre Gesundheit zu erhalten.
- Lassen Sie sich nicht durch Druck dazu bringen, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen. Setzen Sie klare Grenzen und verteitigen Sie Ihr Recht auf Erholung.
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