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Job Crafting: Wie viel Gestaltungsraum bietet die eigene Arbeitsstelle?

Veröffentlicht am 02.12.2024
Job Crafting: Wie viel Gestaltungsraum bietet die eigene Arbeitsstelle?
Was macht Menschen mit scheinbar unattraktiven Jobs zufrieden? Die Psychologin Amy Wrzesniewski von der Yale University fand darauf eine Antwort. In ausführlichen Interviews mit amerikanischen Beschäftigten stiess sie auf ein Phänomen, das sie «Job Crafting» nennt – ein Konzept, das Mitarbeitenden erlaubt, ihren Arbeitsalltag aktiv nach ihren Vorstellungen anzupassen.
Von Thomas Stecher, dipl. Berufs- und Laufbahnberater

Job Crafting beschreibt die kleinen, individuellen Anpassungen, durch die Arbeitnehmende ihre Aufgaben nach eigenen Stärken und Interessen gestalten. Ziel ist es, die Arbeit erfüllender zu machen, indem sie Raum für persönliche Stärken schafft und die Motivation fördert. Der Gedanke dahinter: Auch in vorgegebenen Strukturen gibt es Spielräume, die eigene Arbeitsrolle so zu interpretieren, dass sie besser zu einem selbst passt.
 
Ein Hausmeister als Gastgeber
Ein inspirierendes Beispiel ist Luke, ein Hausmeister aus Wrzesniewskis Studie. Er arbeitet in einem Krankenhaus, seine Hauptaufgaben sind das Reinigen und Auffüllen von Vorräten. Doch Luke sieht sich weniger als «Putzkraft» und mehr als Gastgeber. Sein Ziel ist es, den Aufenthalt für Patient und Angehörige angenehmer zu machen, indem er sich ganz darauf konzentriert, dass sie sich im Krankenhaus wohlfühlen. Diese Perspektive gibt seinem Job einen neuen Sinn und trägt dazu bei, dass Luke seine Arbeit als erfüllend und wertvoll erlebt.
 
Freiheit, die eigene Rolle zu interpretieren
Das Konzept des Job Crafting dient keineswegs dazu, schlechte Arbeitsbedingungen zu verharmlosen oder allein die Beschäftigten für ihre Motivation verantwortlich zu machen. Vielmehr verweist es auf die oft unterschätzten Spielräume, die in vielen Jobs existieren. Arbeitnehmer können nicht nur wählen, welche Arbeit sie ausüben, sondern auch, wie sie ihre Arbeitsrolle interpretieren und gestalten.
 
Die eigenen Stärken einbringen
Was Luke auszeichnet, ist seine Fähigkeit, sich als Gastgeber zu sehen und damit einen eigenen Akzent in seiner Arbeit zu setzen. Diese Interpretation ist jedoch nur eine Möglichkeit. So könnte eine Busfahrerin ihre Stärke in der Präzision beim Navigieren enger Strassen sehen, ein Gemüsehändler seine Kreativität in der Warenpräsentation einbringen, oder eine Lehrerin ihre Arbeit durch Humor bereichern. Jeder Mensch hat Qualitäten, die motivierend wirken. Doch nicht immer ist einem das bewusst: Oft spüren Menschen, was sie antreibt, können es aber nicht benennen. Je unklarer dieses Wissen ist, desto grösser ist das Risiko, den Job als «starr» wahrzunehmen und letztlich unzufrieden zu sein. Natürlich sind manche Arbeitsplätze besser geeignet, um persönliche Stärken auszuleben. Eine Ärztin mit Abenteuerlust etwa wird eher bei Ärzte ohne Grenzen ihre Motivation finden als in einer Praxis. Ein Kellner mit einer Leidenschaft für rustikales Ambiente wird sich in einem Berghotel wohler fühlen als in einem Fünf-Sterne-Haus in der Stadt.
 
Wie man seine Stärken entdeckt
Eine Methode, um die eigenen Stärken besser kennenzulernen, ist der Blick auf Tätigkeiten, die einem schon immer Freude gemacht haben – am besten beginnt man in der eigenen Kindheit. Ein Beispiel: Ein junger Mann erinnert sich daran, wie leidenschaftlich er als Kind Puzzles gelöst hat – je mehr Teile, desto besser. Zunächst kann er nicht erklären, was ihn daran fasziniert hat, bis er sich an den Moment des Zusammensetzens erinnert: «Ich mochte es, aus vielen Einzelteilen ein Gesamtbild zu erschaffen.» Später studierte er Psychologie und entwickelte nach dem Studium ein Interesse an Kriminalistik. Jetzt erkennt er, dass seine Faszination in beidem dieselbe ist: aus vielen Einzelheiten ein Gesamtbild zu erstellen. Diese Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und den Momenten, in denen man «in seinem Element» war, kann helfen, einen roten Faden in der eigenen Biografie zu entdecken.
 
Beratung kann hilfreich sein
Die eigenen Stärken und Werte zu erkennen, ist nicht immer einfach. Hier kann professionelle Begleitung helfen. Oft sind uns die offensichtlichsten Dinge in unserem Leben nicht bewusst. Eine neutrale, erfahrene Fachperson kann dabei unterstützen, den Fokus auf die eigenen Stärken zu richten und diese Schritt für Schritt in den Arbeitsalltag zu integrieren.

Bild: 123rf