von Thomas Stecher, dipl. Berufs-und Laufbahnberater, Berufs- und Bildungsberatung
Berufliche Arbeit ist eine zielorientierte Tätigkeit, die unmittelbar oder mittelbar der Existenzsicherung dient. Als solche war sie zu Beginn der europäischen Kultur gar nicht gut angesehen. Die alten Griechen und Römer waren der Meinung, Erwerbsarbeit sei vor allem Mühe und Last; ja sie verderbe sogar den Charakter. Als besonders moralisch verwerflich wurde Arbeit angesehen, bei der es nicht um die Sache selbst – das Produkt, die Dienstleistung – ging, sondern der Gelderwerb im Vordergrund stand.
Heutzutage hat sich diese Sichtweise nun deutlich verändert. Ein Beruf dient nicht allein unserem Auskommen, sondern auch der Verwirklichung persönlicher Interessen und Fähigkeiten. Er prägt somit einen grossen Teil unserer Identität. Zudem ist gerade das ehemals verfemte Geld stark in den Vordergrund gerückt. Das sinnstiftende Potenzial der Arbeit scheint darunter zu leiden.
Prinzipiell sollte jede Arbeit sinnvoll sein. Wenn diese Tätigkeit zur Erreichung des vorgegebenen Arbeitsziels beiträgt, dann erhält sie dadurch ihren Sinn. Wenn die Behandlung einer Therapeutin dazu führt, dass es Patienten besser geht, ist die Behandlung sinnvoll. Wenn die Verwaltungstätigkeiten eines kaufmännischen Angestellten dazu beitragen, dass Buchhaltung und Rechnungswesen in einem Betrieb stimmig sind, dann ist die Tätigkeit sinnvoll. Wenn ein Sportartikelverkäufer durch seine Beratung dazu beiträgt, die Kunden zufriedenzustellen, ist seine Arbeit sinnvoll.
Zumindest theoretisch, denn etwa 40 Prozent der Beschäftigten berichten in der Schweiz davon, eine für sie sinnlose Tätigkeit zu verrichten. Dies ist umso erschreckender, wie eine von Xing durchgeführte Studie an über 22 000 Mitgliedern zeigt: Die Frage, ob sie bereit wären, in einen neuen Job mit mehr Sinnhaftigkeit oder gesellschaftlicher Verantwortung zu wechseln – auch wenn sie dabei weniger verdienen würden –, beantworteten rund 62 Prozent der Schweizer und Schweizerinnen mit einem Ja. Wird die Arbeit nicht als sinnvoll erlebt, kann sich diese langfristig als lästige, frustrierende bis krankmachende Verpflichtung entwickeln.
Bedeutsamkeit, Richtung und Orientierung, Zugehörigkeit sowie Stimmigkeit sind laut der Sinnforscherin Tatjana Schnell von der Universität Innsbruck und Oslo die sinnstiftendsten Merkmale des Lebens und bei der Arbeit.
Die ausgeführte Arbeit und wie sie erledigt wird, muss für sich selber und für die Mitmenschen bedeutsam sein. Sie muss mit den eigenen Interessen, Fähigkeiten, dem eigenen Potenzial und mit den Lebenszielen übereinstimmen.
Ein weiteres Merkmal sinnhafter Arbeit: das Gefühl und die Gewissheit der Zugehörigkeit zu einem Team und das Erleben von Wertschätzung. Wichtig ist auch die Identifikation mit dem Betrieb und mit der zu verrichtenden Arbeit, dies verbunden mit dem Wissen, gebraucht zu werden und Verantwortung tragen zu dürfen.
Die persönliche Laufbahnberatung, ergänzt mit einer fundierten Potenzialanalyse, hilft herauszufinden, was im Leben und im Beruf wichtig ist. Sie hilft, die unbewussten Kraftquellen und die Motive zu erfassen und diese Erkenntnisse energievoll für die Umsetzung der gefassten Ziele zu nutzen – um Tätigkeiten zu finden, die sinnstiftend sind.
Bild: 123rf