Die strategische Kunst der guten und schlechten Nachrichten
Veröffentlicht am 29.06.2024
Wenn es darum geht, sowohl gute als auch schlechte Nachrichten zu übermitteln, kann die Reihenfolge, in der man die Informationen präsentiert, die Gesamtwahrnehmung erheblich beeinflussen. Forschungsergebnisse und psychologische Prinzipien zeigen eine klare Strategie auf: Immer mit den guten Nachrichten beginnen.
von Emilia Sommerau, Redaktorin Commercial Publishing bei Somedia Promotion
«Willst du zuerst die gute oder die schlechte Nachricht hören?» Diese Frage stellen wir oft, wenn wir gemischte Nachrichten überbringen müssen. Obwohl es verlockend erscheint, zuerst das Negative aus dem Weg zu räumen, zeigt die Forschung, dass es weitaus wirkungsvoller ist, mit den guten Nachrichten zu beginnen. Diese Herangehensweise kann die gesamte Wahrnehmung der Botschaft positiv beeinflussen und die negativen Aussagen entschärfen.
Der erste Eindruck zählt
Ob Sie sich an einen Kunden, Ihren Chef oder eine Präsentation richten, es hat sich gezeigt, dass der Beginn mit guten Nachrichten einen günstigeren Eindruck hinterlässt. Diese Erkenntnis beruht auf psychologischer Forschung und unterstreicht die Bedeutung des "Primäreffekts", eines Konzepts, das die Art und Weise, wie wir in beruflichen und persönlichen Bereichen kommunizieren, verändern kann.
Das Konzept des "Primäreffekts" spielt eine entscheidende Rolle bei der Wahrnehmung von Informationen. Dieser Effekt, erstmals in einem Experiment von 1946 des Psychologen Solomon Asch vorgekommen, zeigt, dass die ersten Informationen, die wir erhalten, einen bleibenden Einfluss auf unsere folgenden Urteile haben können. In Aschs Studie wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten, den Charakter einer Person anhand einer Liste von Adjektiven zu bewerten. Diejenigen, die positive Eigenschaften wie «intelligent» und «fleissig« zuerst sahen, hatten einen günstigeren Eindruck als die Personen, deren Liste mit negativen Eigenschaften wie «neidisch» und «stur» begann. Das Phänomen des Primäreffekts tritt auf, weil die ersten Informationen jeweils den Rahmen schaffen, durch den die folgenden Details interpretiert werden. Der erste Eindruck zählt mehr, als man denken mag.
Die ersten 20 Dinge
Das Verständnis des Primäreffekts ist entscheidend für eine effektive Kommunikation, insbesondere in beruflichen Umfeldern. Die «Theorie der 20» von Daniel Goeudevert betont die Bedeutung der ersten Momente jeder Interaktion. Laut Goeudevert sind die ersten 20 Sekunden, die ersten 20 Worte und ersten zwanzig Handlungen entscheidend, um einen positiven Eindruck zu hinterlassen.
Dieses Prinzip gilt nicht nur im Verkauf, sondern in jedem Szenario, in dem es wichtig ist, einen positiven ersten Eindruck zu hinterlassen. Zum Beispiel bilden Personalverantwortliche bei Vorstellungsgesprächen oft eine Meinung über einen Kandidaten basierend auf dessen Lebenslauf und Anschreiben, noch bevor das Gespräch beginnt. Sicherzustellen, dass diese ersten Materialien und Interaktionen positiv und gut gestaltet sind, kann den Weg für ein günstiges Ergebnis ebnen.
Auch im Verkauf wird der Primäreffekt ausgenutzt: In einem Experiment beobachtete Psychologe Robert Cialdini, wie Autoverkäufer oft mit einem attraktiven Angebot in das Verkaufsgespräch einsteigen. Während der Probefahrt konzentrieren sie sich auf die Vorteile des Autos und schaffen so einen positiven Eindruck bei der Kundin oder beim Kunden. Bis der endgültige Preis bekannt gegeben wird, hat sich der Kunde mental bereits für den Kauf entschieden und ist daher auch eher bereit, einen höheren Preis zu akzeptieren.
Angesichts der Macht des Primäreffekts ist es strategisch vorteilhaft, bei der Vermittlung gemischter Informationen mit den guten Nachrichten zu beginnen. Der Beginn mit positiven Aspekten hilft dem Publikum, einen günstigen ersten Eindruck zu gewinnen, der die Wirkung nachfolgender negativer Details mindern kann. Dieser Ansatz ist besonders nützlich in Geschäftsberichten, Präsentationen und alltäglichen Kommunikationssituationen. Der Schlüssel zu einer effektiven Nachrichtenübermittlung liegt also im Verständnis und der Nutzung des Primäreffekts. Indem man mit guten Nachrichten beginnt, stellt man sicher, dass die positiven Aspekte der Botschaft den Ton angeben, wodurch die nachfolgenden negativen Punkte weniger ins Gewicht fallen. Ein starker Start kann den Unterschied ausmachen, wie die eigene Botschaft empfangen und später erinnert wird
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